- Die digitale Transformation in der Medienindustrie wird stark durch M&A Projekte getrieben.
- Treiber für M&A-Aktivitäten sind auch mittelfristig weiterhin in Takt.
- Axel Springer und Bertelsmann haben jeweils rund 4 Mrd. € von 2011 bis 2017 in Unternehmensbeteiligungen für die digitale Transformation investiert.
LSP Digital unterstützt Medien- und Telekommunikationsunternehmen seit rund 15 Jahren bei der digitalen Transformation ihrer Kerngeschäfte und ihrer Portfolien. Dabei spielen Unternehmenskäufe und -beteiligungen eine wichtige Rolle. Das im Frühjahr von Bertelsmann verkündete kumulierte Investitionsvolumen von € 4,6 Mrd. von 2011 bis 2017, die das Unternehmen dediziert in den Aufbau von digitalen Wachstumsplattformen beziehungsweise Unternehmenskäufe investiert hat, haben wir zum Anlass genommen, gemeinsam mit unserem Schwesterunternehmen Statista weitere Medienunternehmen im Vergleich zu analysieren.
Makroökonomische Größenordnungen des M&A Marktes
Wie die Boston Consulting Group berichtet, betrug das weltweite Deal-Volumen von M&A Transaktionen über alle Branchen hinweg ca. US$ 2,5 Billionen im Jahr 2017. Von den US$ 2,5 Billionen fallen rund US$ 1,4 Billionen auf Europa und rund US$ 240 Mrd. auf Deutschland. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2016 2.167 Unternehmenskauf-Transaktionen durchgeführt.
Dabei ist das weltweite M&A Volumen in einem Zeitraum von 1985 bis 2016 um durchschnittlich acht Prozent pro Jahr gewachsen, während das weltweite GDP im gleichen Zeitraum nur mit 5,9 Prozent pro Jahr gewachsen ist. Wir bei LSP gehen davon aus, dass die Treiber für M&A Aktivitäten auch mittelfristig weitgehend intakt sind. Hierzu sehen wir aktuell vier Kerntreiber:
1) Zinsniveau
Nach wie vor zeichnet sich der Finanzmarkt durch ein niedriges Zinsniveau aus. Mittelfristig sehen wir hier unter anderem durch die Erhöhung des Leitzinses der FED jedoch auch im europäischen Raum eine Erhöhung des Zinsniveaus, die jedoch die Bereitschaft höherer Finanzierungskosten für M&A Aktivitäten dämpfen könnte.
2) Steigende Profitabilität
Effizienzgewinne und neue Geschäftsmodelle durch die digitale Transformation sowie Konsolidierung in traditionellen Märkten sind gute Voraussetzungen für im Schnitt steigende Gewinne – und Finanzierungsspielräume für Zukäufe.

3) Technologischer Fortschritt
Vor allem die hohe Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen auch außerhalb der Digitalisierung (z.B. Nanotechnologie, Biotechnologie, etc.) zwingt Großunternehmen zu Know-How Zukäufen. Die steigende Anzahl an M&A Deals der großen Digital-Plattformen zeigt, dass selbst diese zu Know-How Zukäufen gezwungen sind.
4) Zukunftserwartung für steigende Gewinne
Die Aktienkurse spiegeln die Erwartungen nach wachsenden Gewinnen der Investoren wider. Diesem Druck begegnen die Unternehmen mit organischem aber auch weiter anorganischem Wachstum über Unternehmenszukäufe.
Medienindustrie als „Front Runner“ in der digitalen Transformation
Die McKinsey-Studie „the case for digital reinvention“, Februar 2017, quantifiziert den Einfluss der Digitalisierung auf unterschiedliche Industrien. Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen wurden zu ihrer Wahrnehmung der digitalen Penetration in unterschiedlichen Industrien befragt. Auf einer Skala von 0 Prozent (keine Veränderung durch die Digitalisierung) bis 100 Prozent (vollständig digitalisiert) wurde die Medienindustrie als die am stärksten digitalisierte Branche mit 62 Prozent quantifiziert, gefolgt von Handel (55 Prozent) und High-Tech (54 Prozent) während die Automobilbranche zu 32 Prozent digitalisiert sei. Im Durchschnitt über alle Industrien sind 37 Prozent bereits digital „penetriert“.
Die Wandlungen der Medienbranche durch die Digitalisierung sind ausreichend bekannt und werden somit an dieser Stelle nicht mehr umfassend beschrieben. Die Disintermediation, also der Wegfall einzelner Stufen der Wertschöpfungskette, die Digitalisierung des Kernproduktes und die Veränderung der Distribution der medialen Inhalte beziehungsweise ihrer Konsumweise, sind Konsequenzen der Digitalisierung der Medienbranche. Durch die resultierende Existenzbedrohung war die Medienindustrie notgedrungen eine der Pioniere in Bezug auf die Digitalisierung.
Die Herausforderungen für die Medienunternehmen lassen sich beispielsweise am Kundenwert ablesen. So ist der Wertbeitrag pro Endkunde pro Jahr in der klassischen Reichweiten-Vermarktung über Printprodukte noch dreistellig, während sich die Werte für einen Online-Kunden auf 10 bis 30 € und einen Mobile-Kunden auf 2 bis 10 € beziffern lassen (1). Bei rückläufigen Vertriebs- und Anzeigenerlösen und vergleichsweise geringer Monetarisierung der digitalen Reichweite über Werbung und Paid Content müssen andere Geschäftsmodelle Umsatz und Ergebnis stützen.
Unternehmensbeteiligungen und -käufe, sind relevante Hebel, um sinkende Umsätze und Gewinne aufzufangen, um mit dem technologischen Fortschritt durch Know-How Zukauf mitzuhalten und/oder um das Portfolio diversifizierter aufzustellen. Zur Quantifizierung dieses Trends haben wir die Beteiligungsaktivitäten von ausgewählten deutschen Medienunternehmen analysiert.
(1) Auf Basis durchschnittlichen Klick-Verhaltens und € 5 Netto TKP
Methodik
Betrachtet wurden Beteiligungen ausgewählter großer Medienunternehmen aus Deutschland mit Digitalbezug. Wir haben uns auf die folgenden Unternehmen konzentriert: Axel Springer SE, ProSiebenSat.1 Media SE, Ströer SE & Co. KGaA, Hubert Burda Media Holding KG und Bertelsmann SE & Co. KGaA. So wurden im betrachteten Zeitraum von 2011 bis 2017 mehr als 225 Deals erfasst und bewertet. Als Datenbasis haben wir die Jahresabschlüsse, Unternehmensberichte und -präsentationen, die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger und Pressemitteilungen genutzt. Vereinzelte fehlende Datenpunkte wurden über Branchenbenchmarks vervollständigt. Beteiligungen, zu denen wir keine belastbaren Daten gefunden haben, haben wir nicht berücksichtigt. Somit ist kein vollständiges aber ein, wie wir glauben, repräsentatives Bild der Investitionsaktivitäten entstanden. Die ausgewählten Unternehmen haben zusammen einen Marktanteil von rund 20 Prozent in der Medienbranche in Deutschland. Von ProSiebenSat.1 wurden 88 Investments gelistet, 56 für Ströer, 53 für Burda und 28 Investments für Axel Springer. Insgesamt bildet die Studie über den gesamten Betrachtungszeitraum von 2011 bis 2017 ein Investitionsvolumen von € 12,7 Mrd. ab.
Insights
Den größten gelisteten Deal weist Axel Springer im Jahr 2015 auf mit der Akquisition von 98,7 Prozent des französischen Portals SeLoger für € 633 Millionen, gefolgt von Immediate Media akquiriert von Burda für € 310 Millionen in 2017. Ströer bezahlte € 300 Millionen für T-Online und Interactive Media und auf Platz vier ist die Akquisition von etraveli durch ProSiebenSat.1.
Axel Springer hat nach unseren Schätzungen rund acht Prozent ihres digitalen Umsatzes von € 2,6 Mrd. durch die organische Digitalisierung, sprich durch die interne digitale Transformation des Kerngeschäfts durch Business Development Aktivitäten, erreicht. 92 Prozent sind somit auf anorganische Maßnahmen zurückzuführen. Bei ProSiebenSat.1 liegt der organische digitale Umsatzanteil bei rund zehn Prozent, bei Ströer und bei Burda lediglich bei zwei Prozent. Dabei fokussieren sich diese organischen digitalen Geschäftsmodelle oftmals auf werbefinanzierte Modelle und Paid Content Modelle.
Axel Springer hat bei einem Jahresumsatz von € 3,6 Mrd. in 2017 im Zeitraum von 2011 bis 2017 rund € 4 Mrd. in Unternehmensbeteiligungen investiert und ist damit „guter Zweiter“ bei den Investitionen. Nur Bertelsmann hat mit € 4,6 Mrd. mehr investiert. Dieses Investmentvolumen steht bei Bertelsmann allerdings in Relation zu einem Jahresumsatz von € 17,2 Mrd. Dies unterstreicht die hohe Investitionsaktivität von Axel Springer. ProSiebenSat.1 hat bei einem ausgewiesenen Umsatz von € 4,1 Mrd. in 2017 rund € 1,7 Mrd. investiert, gefolgt von Ströer mit einem Investmentvolumen von rund € 1,2 Mrd. und Burda mit € 0,9 Mrd. Dabei ist anzumerken, dass Burda als Privatunternehmen im Vergleich zu den börsennotierten Wettbewerbern limitierten Zugang an den Finanzmärkten hat.
Digitaler Umsatzanteil als relevante KPI

Vor allem durch Investitionstätigkeiten haben die Medienunternehmen über die letzten Jahre ihren digitalen Umsatzanteil erhöht. Axel Springer hat 2017 den höchsten Anteil mit 71 Prozent Digitalanteil. Burda hat zwar von 2011 bis 2017 das geringste Wachstum, ist aber aufgrund der guten Ausgangsposition dennoch auf Platz zwei. Der Ausweis des digitalen Umsatzanteils wird allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt. So sortiert Bertelsmann beispielweise Umsätze der Dienstleistungstochter arvato, die mit „digitalen“ Kunden erwirtschaftet werden, sowie große Teile der RTL-Umsätze zu digitalen Umsätzen.
In einer stärker B2C getriebenen Definition wären die Digitalumsätze von € 7,9 Mrd. vermutlich deutlich geringer. Betrachtet man die digitalen Gewinne, weist Axel Springer 80 Prozent digitalen EBITDA Anteil für 2017 aus, Ströer 47 Prozent, dicht gefolgt von Bertelsmann mit 46 Prozent.
Im Vergleich dazu weisen Burda mit 23 Prozent und ProSiebenSat.1 mit 18 Prozent noch eine stärkere EBITDA Abhängigkeit vom traditionellen Geschäft auf. Ein Erfolgsbeispiel in dieser Betrachtung ist die Akquisition des französischen Unternehmens SeLoger durch Axel Springer. SeLoger erwirtschaftet konstant eine EBITA Marge größer 60 Prozent.
Alle betrachteten Unternehmen konnten im Zeitraum von 2011 bis 2017 ihren Umsatz steigern. Demgegenüber stehen eher „Traditionalisten“ der Medienbranche wie Gruner + Jahr, eine Bertelsmann Division, oder die Funke Gruppe die (ohne Berücksichtigung der Akquisition der Print-Titel von Axel Springer) mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes seit 2011 verloren haben und digitale Umsatzanteile von unter 20 Prozent aufweisen.
Strategische Felder der Investitionstätigkeit
Durch die Betrachtung der deutschen Medienunternehmen wird deutlich, dass die digitale Transformation in der Medienindustrie stark durch M&A Projekte getrieben wird. Im Rahmen der strategischen digitalen Transformation wird oftmals in einem Framework von drei Horizonten gedacht:
- Digitalisierung des Kerngeschäfts
- Digitale Erweiterung des Kerngeschäfts
- Diversifikation
Trotz aller Unschärfe haben wir versucht, die Investitionsaktivitäten diesen Horizonten zuzuordnen. Der Investmentfokus bei Axel Springer hat sich über die Jahre von Ad-Sales in Richtung Paid Content/Services entwickelt. Dabei verfolgt das Unternehmen keine starke Diversifikation, sondern eine digitale Erweiterung des Kerngeschäfts. 55 Prozent aller von Axel Springer gelisteten Deals sind diesem Horizont zuzuordnen. Die Veränderung des Suchfokus ist damit zu begründen, dass nur noch wenige Targets im Classifieds-Umfeld (teuer) zu akquirieren sind. Eine ähnliche Bewegung ist bei Ströer zu erkennen, 50 Prozent der gelisteten Investments von Ströer sind einer digitalen Erweiterung des Kerngeschäfts zuzuordnen, 24 Prozent einer Diversifikation des Portfolios. Die starke e-Commerce Investmentstrategie von ProSiebenSat.1 bedingt, dass 89 Prozent aller gelisteten Deals dem Diversifikationshorizont zuzuordnen sind.
Eine ebenfalls von LSP durchgeführte Studie im Jahr 2016 über Corporate Venturing Aktivitäten der gleichen deutschen Medienhäuser der Jahre 2006 bis 2015 unterstreicht diese Bewegungen. 65 Prozent aller 428 gelisteten Deals bezogen sich auf Targets aus nicht mit der Medienbranche verwandten Geschäftsmodellen. 38 Prozent aller Deals waren e-Commerce Deals. Bei ProSiebenSat.1 waren es sogar 75 Prozent an nicht verwandten Deals und der e-Commerce Anteil lag bei 53 Prozent.

Fazit
Die Ergebnisse der Studie bestätigen unsere Annahme, dass Unternehmensbeteiligungen und –käufe im digitalen Sektor hochrelevante Hebel sind, um sinkende Umsätze und Gewinne zu kompensieren und Know-How zuzukaufen. Die Investitionsstrategien einzelner Medienhäuser, wie z.B. die von Axel Springer zeigen, dass gezielte Investitionen im digitalen Sektor besonders in einer von der Digitalisierung stark wandelnden Branche positive Umsatz- und Ergebnisauswirkungen zu Folge haben können. Unternehmenskäufe- und Beteiligungen im digitalen Bereich spielen allerdings nicht nur in der Medienbranche eine wichtige Rolle bei der digitalen Transformation.